Zwischen Koralpe und Gleinalm, dort, wo die Wiesen karger, die Wälder dichter und die Jahreszeiten spürbarer sind, liegt der Trautentalwirt – ein Wirtshaus, das Lisa und Johann Rainer mit bäuerlicher Bodenständigkeit, feiner Handwerkskunst und einer ordentlichen Prise Vision in die Gegenwart geholt haben. Ein Porträt über einen Koch und eine Patissière, die nicht nur kochen, sondern auch wirtschaften – verantwortungsvoll, regional und zukunftsorientiert.
Der Schweinsbraten zischt leise, als Johann Rainer die schwere Bratpfanne aus dem Ofen hebt. Die Kruste: knusprig, goldbraun. Darunter: butterzartes Fleisch, langsam gegart – mit Zeit, mit Gefühl. Johann nimmt sein Messer zur Hand – ein Abschiedsgeschenk von seiner letzten Station als Küchenchef. Die Klinge bricht die Kruste, gleitet durchs Fleisch wie durch weiche Butter. Behutsam platziert er das Stück auf dem Teller, daneben ein Blunzenknödel, flaumig und kräftig zugleich, dazu Kraut, sanft geschmort in Apfelsaft und Kümmel. „Das ist der heilige Gral meines Vaters“, sagt Johann. Das Fleisch stammt – so oft wie möglich – von kleinen Bäuer:innen aus der Umgebung. Immer: bio. „Ich glaube, dass die Leute so gern Fleisch bei uns essen, weil wir ausschließlich Bio-Fleisch anbieten – und das halt richtig gut schmeckt.“
Als Johann gemeinsam mit seiner Frau Lisa den elterlichen Betrieb übernahm, war klar: „Wenn wir das machen, dann richtig.“ Fast vier Jahrzehnte lang hatten seine Eltern das Wirtshaus geführt – es aus einer Ruine aufgebaut, mit Herzblut, mit Ausdauer, wie Johann sagt. 2024 kehrten er und Lisa zurück nach Geistthal, um das Haus weiterzuführen – aber auf ihre Weise. Mit ihrer Handschrift. Mit einer Vorstellung davon, wie Gastronomie heute aussehen kann: irgendwo zwischen Tradition und Weltoffenheit, zwischen Bodenständigkeit und Experimentierfreude.
Koch wollte Johann schon immer werden – oder Kochlehrer. Und dass er eines Tages das Gasthaus seiner Eltern übernehmen würde, war für ihn nie eine Frage, eher ein innerer Plan. Nach der Ausbildung zog es ihn hinaus in die Welt: Er kochte unter anderem für Bernie Ecclestone, war auf Saison im Restaurant von Simon Taxacher und schließlich für die Kulinarik im Hotel und der Therme NOVA in Köflach verantwortlich. Dort begegnete er auch Lisa – er als Küchenchef mit über 70 Mitarbeiter:innen, sie im Marketing.
„Mit Johann hat sich mir noch einmal eine ganz neue Welt eröffnet“, sagt Lisa. „Ein kleines Paradies voller Geschmack.“ Nach einer weiteren gemeinsamen Station im Winzer-Restaurant HerrgottHö in Sankt Stefan ob Stainz wussten sie: Jetzt ist der Moment, etwas Eigenes zu schaffen.
„Ich konnte das nur mit meiner Frau gemeinsam machen. Sie ist ein Wahnsinn – sie kann einfach alles“, sagt Johann. „Sie ist nicht nur das Organisationstalent von uns beiden, sondern auch die Liebe, die alles zusammenhält – wie früher meine Oma.“ Ihre gemeinsame Vision? Ein Gasthaus, ja – aber eines mit Haltung. Mit einem klaren Fokus auf Ehrlichkeit und Miteinander. Dazu die eigene Landwirtschaft, die das Gasthaus nicht nur beliefert, sondern ein Teil des Ganzen ist. Und eine Küche, die sich nach den Jahreszeiten richtet – und nach dem, was in der Weststeiermark gerade wächst.
Johanns Küche im Trautentalwirt ist eine Übersetzung der Landschaft, die ihn umgibt. „Das Essen bei uns muss schmecken wie ein Spaziergang durch den Wald. Wie das nasse Moos unter den Füßen. Die Wiese, die hier langsamer wächst, weil das Klima rauer ist.“ Johanns Gerichte sind geprägt von der Weststeiermark, von Käferbohnen und Kürbiskernöl, die es hier reichlich gibt, von Vogelbeeren, die er selbst sammelt und einlegt, von Verjus statt Zitronen. „Für mich bedeutet das keinen Verzicht, sondern fördert meine Kreativität.“
Sein eigener heiliger Gral? Die Rauna – rote Rübe. „Sie vereint Süße, Erdigkeit und Fruchtigkeit.“ Johann mariniert sie am liebsten mit Kreuzkümmel und Balsamico, kombiniert sie mit Einkornrisotto, Wildwürsteln von befreundeten Jäger:innen oder Lammrohschinken von Bio-Bäuer:innen aus der Region.
Auch Lisas Desserts erzählen von der Region ums Trautental – und vom Handwerk. Aus dem Marketing kommend, hat sie sich das süße Kochen selbst beigebracht. Heute ist sie nicht nur Organisationstalent und Herz des Hauses, sondern auch das süße Ende jedes Menüs. Ihre Zwetschkenknödel – nach dem Rezept ihrer Mutter – gibt es das ganze Jahr über: aus der Ernte des vergangenen Sommers, eingekocht oder eingefroren. Ihr hausgemachtes Eis ist bodenständig – und manchmal auch verspielt, mal aus Zwetschken, mal aus Speck.
Was Johann und Lisa nicht selbst anbauen oder direkt beziehen, ist mindestens bio-zertifiziert – und stammt ausschließlich von Partner:innen, die arbeiten wie sie: ehrlich, respektvoll, transparent. Aus ihrer Überzeugung für biologische Landwirtschaft entsteht oft mehr als nur ein Geschäftsverhältnis. Immer wieder gelingt es ihnen, Produzent:innen aus der Region zu begeistern, auf bio umzusteigen. Das hat viel mit ihrer Nähe zur Landwirtschaft zu tun: Johanns Großcousin führt den Pogerhof in Geistthal, ein Onkel war am Aufbau einer Molkerei in Peru beteiligt, und eine kleine Landwirtschaft betreiben Johann und Lisa sogar selbst. „Wir möchten unsere Wertschätzung für die Landwirtschaft weitergeben, wie wir das von unseren Familien gelernt haben“, sagt Johann. Diese Verwurzelung, diese Bodenständigkeit prägt viele von Johanns und Lisas Entscheidungen. „Das Miteinander ist der richtige Weg für uns.“
Das Miteinander lebt Johann nicht nur als Koch, sondern auch als Lehrer. Einst leitete er eine Hotelküche mit über 20 Köch:innen – heute legt er besonderen Wert auf die Ausbildung seiner Lehrlinge. So ist aus dem Kindheitstraum, Kochlehrer zu werden, doch noch etwas geworden. „Ich wollte nie, dass ein Lehrling rausgeht, ohne wirklich verstanden zu haben, was er tut.“ „Wenn wir ein ganzes Lamperl reinbekommen, dann nehme ich mir gerne die zwei Stunden Zeit“, sagt er. Zwei Stunden, in denen seine Lehrlinge lernen, wie man ein ganzes Tier zerlegt – und warum es auf jedes Stück ankommt. „Wie setzt man eine g’schmackige Suppe an? Warum sind die Knochen und das Fleisch wichtig? Und warum ist es wichtig, wie das Tier gelebt hat?“, sagt er. Und: „Wenn wir keine Lehrlinge mehr ausbilden, dann wird’s auch keine mehr geben.“ Lisa ergänzt: „Johann ist ein wandelndes Lexikon.“ Sein wichtigster Bildungsauftrag? „Kochen muss Spaß machen!“, sagt er. „Dann schmeckt auch das Essen richtig gut.“ Und nur so habe die Gastronomie eine Zukunft.
8153 Geistthal-Södingberg
Geistthal 15
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