Blog, 09.09.2024

Kärntens Held:innen des guten Geschmacks | Philipp Bodners und Eva Hinterbichlers Leidenschaft für alte Obstbaumsorten

In einer Welt, die von immer intensiverer Landwirtschaft und modernen Züchtungen geprägt ist, haben sich Philipp Bodner und Eva Hinterbichler einer ganz besonderen Mission verschrieben: Sie wollen alte Obstbaumsorten bewahren und neu kultivieren. Die beiden sind nicht nur leidenschaftliche Pomolog:innen – also Expert:innen für Obstsorten – sondern auch Gründer:innen der Baumschule „Fruchttrieb“ im Gailtal, auf knapp 1.000 Metern Seehöhe. Hier, auf biologisch bewirtschafteten Streuobstwiesen, gedeihen seit 2021 über 200 verschiedene Obstsorten, darunter auch zahlreiche, die vom Aussterben bedroht sind. Doch wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Leidenschaft?

Leidenschaft für Pomologie: Vom Studium zur Baumschule

Philipp Bodner, Agrarwissenschaftler aus Osttirol, und Eva Hinterbichler, ausgebildete Baumwärterin und Agrarbiologin aus Oberösterreich, entdeckten ihre Leidenschaft für alte Obstbaumsorten während eines gemeinsamen Praktikums in einer Obstbaumschule. Hier lernten sie die große Vielfalt an Sorten kennen – von alten Apfelsorten bis hin zu seltenen Birnensorten. „Da war für uns sofort klar: Wir wollen diese alten Sorten erhalten“, erzählt Philipp. Die Erkenntnis, dass viele dieser Obstsorten vom Aussterben bedroht sind und auf Vermehrung angewiesen sind, bestärkte die beiden in ihrem Vorhaben.

Mit ihrer Baumschule „Fruchttrieb“ haben sie einen Ort geschaffen, an dem sie nicht nur alte Obstbaumsorten wieder kultivieren, sondern auch andere Menschen für die Vielfalt dieser Sorten begeistern wollen. Dabei bewirtschaften sie ihre Streuobstwiesen in Handarbeit und nach organisch-biologischen Prinzipien – eine Arbeit, die für die beiden Millennials fast schon meditativ ist. „Die Arbeit mit den Jahreszeiten und die Verbindung zur Natur erdet uns und macht den Blick frei für das Wesentliche“, sagt Eva.

Alte Obstbaumsorten: Warum ihre Bewahrung so wichtig ist

Alte Obstsorten bieten eine beeindruckende Vielfalt an Geschmäckern, Formen und Nutzungsmöglichkeiten, die moderne Züchtungen oft nicht erreichen. So gibt es beispielsweise Sorten, die sich besonders gut zum Dörren eignen, während andere als Tafelobst ungenießbar sind, dafür aber einen vorzüglichen Saft ergeben. Die sortenreine Verarbeitung von alten Sorten für Saft, Most oder andere Produkte eröffnet kulinarisch spannende Möglichkeiten.

Doch es geht nicht nur um den Geschmack. Alte Obstsorten sind auch eine wichtige genetische Ressource. „Sie bieten Potenzial für zukünftige Züchtungen und Anpassungen, besonders in Zeiten des Klimawandels“, sagt Philipp. Außerdem sind viele alte Sorten robuster gegenüber Krankheiten und benötigen weniger intensive Pflege, was sie für eine nachhaltige Landwirtschaft besonders wertvoll macht.

Auf der Suche nach verlorenen Schätzen

Um diese fast vergessenen Obstsorten wieder zu kultivieren, begeben sich Philipp und Eva auf regelrechte Entdeckungsreisen. „Wir gehen mit offenen Augen durch Streuobstbestände und tauschen uns intensiv mit Kolleginnen und Kollegen aus“, sagt Philipp. So stießen sie beispielsweise durch Philipps Diplomarbeit auf die Kletzenbirne, eine alte Birnensorte, die sich hervorragend zum Trocknen eignet. In der Folge hat Philipp auch das Slow Food Presidio Kletzenbirne Alpe-Adria mitentwickelt. Es sind solche Entdeckungen, die die beiden dazu inspirieren, immer wieder neue, seltene Sorten in ihrer Baumschule anzupflanzen und zu bewahren.

Streuobstwiesen als Hotspots der Biodiversität

Alte Obstbaumsorten sind nicht nur kulinarische Schätze, sondern spielen auch eine wichtige Rolle für die Biodiversität. Streuobstwiesen, auf denen hochstämmige Obstbäume auf extensiv bewirtschafteten Wiesen wachsen, bieten Lebensraum für zahlreiche Tierarten. „Die alten Bäume sind ideale Nistplätze für Vögel, Fledermäuse und Insekten und bieten vielen kleinen Säugetieren Unterschlupf“, erklärt Eva. In modernen Obstplantagen, die auf intensive Kultur angewiesen sind, ist diese Artenvielfalt kaum mehr möglich.

Für Philipp und Eva ist der Erhalt der Streuobstwiesen ein zentraler Bestandteil ihres Engagements für eine nachhaltige Landwirtschaft. Auf ihren Wiesen werden weder Pestizide noch Kunstdünger verwendet – ein Ansatz, der perfekt zur Philosophie von Slow Food passt. „Nachhaltigkeit bedeutet für uns, mit der Natur zu arbeiten und alte Kulturen zu bewahren, anstatt sie zu verdrängen“, betont Eva.

Fruchtige Erlebnisse in der Baumschule „Fruchttrieb“

Wer die Vielfalt alter Obstsorten selbst erleben möchte, ist bei Philipp und Eva genau richtig. In Führungen in ihrer Baumschule „Fruchttrieb“ erklären sie den ökologischen Wert von Streuobstwiesen und lassen die Besucher:innen die fruchtige Vielfalt ihrer alten Obstsorten verkosten – jede Sorte hat ihren ganz eigenen Geschmack und ihre eigenen Nutzungsmöglichkeiten. Und wer Lust hat, kann sich sogar für den eigenen Garten beraten lassen, um selbst einen kleinen Beitrag zur Bewahrung alter Obstsorten zu leisten.

Weitere Infos findest du auf der Website der Baumschule Fruchttrieb: www.fruchttrieb.at

Hier findet das Bildungsprogramm der Slow Food Akademie zum Thema Streuobst statt: https://www.slowfood.travel/de/Unterkunft-finden/Erlebnisse/erlebnisse/KTN/33a834d3-f87d-4e27-846c-523037a3048f/die-vielfalt-von-streuobstwiesen

Fotos: © www.slowfood.travel/ Martin Hoffmann

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