Kann ein Experiment in einem Weintank den gesamten Kurs eines Weinguts verändern? Ja, befanden Klaus und Bernhard Fischer vom Weingut Fischer in St. Anna.
„Wein ist nie nur die Traube, sondern immer die Kombination aus Traube und Mensch.“
Klaus Fischer
Alles begann mit einem Tank spontanvergorenen Weins, den Klaus und Bernhard Fischer mit der Ernte 2014 füllten. Damals saßen sie oft mit Freunden auf dem Hof ihrer Eltern in St. Anna in der Südoststeiermark zusammen und verkosteten Naturweine aus dem In- und Ausland. Sie selbst produzierten jedoch bis zu diesem Zeitpunkt klassische Weine – „wie man es in der Schule gelernt hat“, sagt Bernhard. Beide hatten zuvor die Fachschule für Weinbau und Kellerwirtschaft in Silberberg besucht und darauf aufbauend an der Höheren Bundeslehranstalt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg studiert. Wein nach traditionellen Methoden herzustellen, schien daher naheliegend. Klaus vinifizierte seinen ersten Wein bereits im Jahr 2007: einen Morillon, das steirische Synonym für Chardonnay. Die Trauben dafür stammten aus dem einen Hektar großen Weingarten, der auf dem gemischten landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern ausgepflanzt war. Die beiden Brüder gingen aber auf Reisen, um zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. Sie verkosteten unzählige Weine und kamen dabei mit Naturweinen in Berührung. Schließlich fragten sie sich: „Warum machen wir solche Weine nicht auch selbst?“
Dem ersten Tank folgte ein radikaler Kurswechsel in 2015 und die Produktion von Weinen, wie sie in der Region zu dieser Zeit noch niemand herstellte. „Zum Glück hatten wir zu dieser Zeit noch keinen etablierten Kundenstamm, was uns diese Freiheit gab“, erzählt Bernhard. Mit den Trauben aus einem Hektar eigenen Weingärten und der Möglichkeit, weitere dreieinhalb Hektar Rebfläche dazuzupachten, begannen die beiden Brüder die Neuausrichtung ihres Weinguts. Ihr erklärtes Ziel war es, „handwerkliche, ehrliche Weine“ zu produzieren. Im selben Jahr entschlossen sie sich, ihr Weingut biologisch-organisch zu bewirtschaften. Die Trauben ernten sie ausschließlich von Hand, unterstützt von Freund:innen und Verwandten. Im Keller setzen sie auf Spontanvergärung. Bis auf geringe Mengen Schwefel verwenden die beiden keinerlei Zusatzstoffe. Und auch wenn sie nichts hinzufügen, betrachten sie sich dennoch als Begleiter ihrer Rebstöcke und Weine. „Wenn man nichts mit dem Wein macht, dann gäbe es gar keinen Wein. Wein ist nie nur die Traube, sondern immer die Kombination aus Traube und Mensch“, sagt Klaus.
Im Mittelpunkt stehen die Rebsorten Morillon und Sauvignon Blanc, zwei der vorherrschenden Rebsorten in der Südoststeiermark. Ein gepachteter Weingarten am Stradner Kogel bescherte ihnen auch Riesling, der in dieser Region zwar nicht so verbreitet ist, sich aber auf dem Boden aus Muschelkalk, Sandstein und vulkanischem Verwitterungsmaterial recht wohlzufühlen scheint. Ihr Umgang mit den alten Riesling-Rebstöcken ist bezeichnend für ihre Philosophie des Weinmachens: Als sie den Weingarten im Jahr 2019 übernahmen, mussten in dem über 30 Jahre alten Weingarten zahlreiche Rebstöcke neu gepflanzt werden. Das komplette Roden und Neupflanzen wäre einfacher gewesen, aber: „Wir haben lediglich kaputte Rebstöcke nachgepflanzt, denn wir wollten das Potenzial der alten Rebstöcke bewahren“, sagt Klaus. So radikal der Kurswechsel, so achtsam der Umgang mit der Natur, könnte man meinen.